Ballastwasser & Biofouling STATUS QUO & QUO VADIS

Die wachsende Zahl der Umweltauflagen in der Schifffahrt bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung. Dabei sind die technischen Aspekte der Schiffssicherheit und die Praktikabilität der gewählten Verfahren für den Einsatz auf Schiffen ebenso bedeutend, wie administrative und biologische Gesichtspunkte.  

In den letzten Jahrzehnten fanden zunehmend ökologische Fragestellungen Eingang in die Bestimmungen, die den nautischen Sektor regulieren. Dieses betrifft, neben den neuen Regeln zu Schiffsabgasen (MARPOL, Annex VI), besonders die Themenbereiche Ballastwasser(-management) und die Bewuchsproblematik (Biofouling). Darüber hinaus werden Aspekte der Eutrophierung durch Einleitung von Schiffsabwässern und die Belastung der Meeresumwelt durch Schiffsabfälle, insbesondere Plastik und Mikroplastik, sehr kritisch diskutiert. Auf die neuen Anforderungen an die Einleitung von Schiffsabwässern wurde an dieser Stelle bereits in einen früheren Beitrag eingegangen (https://nsmt.home.blog/2020/10/06/abwasserbehandlung-an-bord-von-seeschiffen/).

Dr. MATTHIAS VOIGT

In diesem Beitrag legt Dr. MATTHIAS VOIGT den Fokus auf die Bereiche Ballastwasser und Biofouling und berichtet aus dem Normenarbeitskreis NA 132-02-11-04 AK „Ballastwassersysteme“ der DIN-Normenstelle für Schiffs- und Meerestechnik (NSMT) .

1. Ausgangssituation

Es ist bereits seit langem bekannt, dass das Ballastwasser von Schiffen ein bedeutender Vektor für die Verbringung von Fremdorganismen ist (Abb. 1).

Abb. 1: Wichtigste Schifffahrtsrouten. Quelle: www.stoneworld.co.uk/wp-content/uploads/2018/09/world-shipping-routes.jpg

Die Organismen werden i.d.R. im Ursprungshafen mit dem Ballastwasser aufgenommen. Einmal am Bord, verbleiben sie in den Ballasttanks und dem Leitungssystem, um dann im Zielhafen des Schiffes, bei der nächsten Ballastwasseroperation, wieder abgegeben zu werden (Abb. 2).  Treffen die Organismen hier auf günstige Lebensbedingungen, d.h. auf einen geeigneten Salzgehalt und passende Temperaturen, so können sie sich ungehindert vermehren.

Abb. 2: Einschleppung von Fremdorganismen (Schematische Darstellung). Quelle: www.imo.org/en/MediaCentre/HotTopics/Pages/BWM-default.aspx

Ähnlich verhält es sich mit den Mikroorganismen, Pflanzen oder Tieren, die am Rumpf von Schiffen siedeln.  Dieser Vorgang wird als „Biofouling“ bezeichnet.  Grob unterscheidet man drei Stadien der Besiedlung (Abb. 3):

1.  Die „Slime layer“, die bereits nach wenigen Stunden durch einzellige Algen und Bakterien gebildet wird;

2.  Die „Soft foulers“. Dieses sind mehrzellige Organismen mit weicher Textur, z.B. Algen, Schwämme, oder Tunikaten, die i.d.R. auch relativ leicht von der Oberfläche abzulösen sind;

3. Die „hard foulers“. In diesem Stadium des Biofoulings treten hartschalige, festsitzende Organismen auf, wie z.B. Muscheln, Seepocken, oder Röhrenwürmer. Sie sind nicht nur sehr schwer von der besiedelten Oberfläche abzulösen, sondern sie bilden auch den „Lebensraum“ für weitere, nicht festsitzende Organismen, z.B. Flohkrebse und andere Krustentiere, kleine Fische und Fischlarven, Schnecken usw.

Abb. 3: Entwicklung unterschiedlicher Biofouling-Stufen

Anders als die Fremdorganismen in den Ballastwassertanks, die zumeist keine direkten Auswirkungen auf den Schiffsbetrieb haben, kann das Biofouling am Schiffsrumpf den Strömungswiderstand erhöhen, was zu einem steigendem Treibstoffverbrauch führt. Ferner werden auch alle Nischenbereiche am Schiffsrumpf (z.B. Ruder, Propeller, Seekästen und Seewasserleitungen, sowie Bug-/Heck-Strahlruder) von Biofouling-Organismen besiedelt (Abb. 4). Dieses kann bei übermäßigem Bewuchs zu erheblichen Beeinträchtigungen des Schiffsbetriebs, und sogar der Schiffssicherheit führen. Verbleibt ein Schiff über mehrere Tage an einem Standort, kann dieses zu einer deutlichen Verstärkung des Biofoulings am Rumpf und in allen Nischenbereichen führen, obwohl funktionierende Antifouling-Systeme und Bewuchsschutz-Systeme vorhanden sind. 

Abb. 4: Potenziell von Biofouling betroffene Nischenbereiche.
Quelle: www.marinepests.gov.au/marine_pests/Pages/default.aspx

Zahlreiche Studien haben belegt, dass der Anteil, der durch Biofouling eingeschleppten Fremdorganismen ähnlich hoch ist, wie der Anteil durch Ballastwasser eingeschleppter Arten. In der Summe können beide Vektoren zu starken Veränderungen und Gefährdungen aquatischer Ökosysteme beitragen. Dieses hat nicht nur zu ökologische, sondern auch erhebliche ökonomische Folgen.

2. Schlussfolgerungen für Normen und Standards

Als Gegenmaßnahmen haben sich die Mitgliedstaaten der IMO auf weltweit gültige Vereinbarungen zur Reduzierung von Einschleppungen verständigt. So regelt die Ballastwasser-Konvention die Anforderungen an das Management des Ballastwassers und gibt genaue Instruktionen über die Zulassung der benötigten Behandlungssysteme, im Ballastwater Management Code und der Resolution MEPC.169(57)-G9 (Zulassung chemischer Behandlungssysteme). Auch für die Problematik des Biofoulings hat die IMO Anforderungen auf den Weg gebracht. Bereits im Juli 2011 wurde die „2011 Guidelines for the Control and Management of Ships’ Biofouling to minimize the transfer of invasive aquatic Species” (Resolution MEPC.207(62) verabschiedet. Begleitet wird diese Richtline von zwei „Guidance Documents“, dem MEPC.1/Circ.811 für die kommerzielle Schifffahrt, und dem MEPC.1/Circ.792 für die Sportschifffahrt.

Die regulatorischen Prozesse sind auf Seiten der IMO jedoch für beide Themen noch lange nicht abgeschlossen. Besonders im Bereich Ballastwasser kam es im Zeitraum von der Verabschiedung der Ballastwasser-Konvention (2004), bis zum Inkrafttreten (8. Sep. 2017), und sogar darüber hinaus, zu zahlreichen Anpassungen des Regelwerks. Durch die fortlaufenden Änderungen der Zulassungskriterien und der Beprobungsstrategien, kam es zu zahlreichen Verzögerungen bei der Umsetzung der Konvention und zu teilweise sehr kostspieligen Fehlentscheidungen. Dieses führte zu großen Verunsicherungen bei vielen der Beteiligten und zu einer geringen Akzeptanz der neuen Regularien auf Seiten der Schifffahrt. Auch aus diesen Gründen wurde die sogenannte „Experience building Phase (EBP)“ ins Leben gerufen (Resolution MEPC.290(71)), die zur Erhebung von Daten zum praktischen Einsatz von Ballastwasserbehandlungsanlagen dient. Der Gedanke dahinter ist, dass alle Beteiligten während der EBP (Dauer 5 Jahre, 2018 – 2022), Erfahrungen aus ihrer Sicht sammeln und teilen, d.h. über die Flaggenstaaten an die IMO weitergeben. Diese Erfahrungen sollen dann in evtl. Anpassungen der Regelwerke einfließen.

Auch im Bereich des Biofoulings wird aktuell von vielen Seiten an neuen (strengeren) Regelwerken gearbeitet. Derzeit läuft das GloFouling-Projekt, das ähnlich dem erfolgreichen GloBallast-Projekt, gemeinsam von der GEF, UNDP und IMO aufgelegt wurde. Ziel des Projektes ist es, über die Beteiligung von 12 Entwicklungs- und Schwellenländern, aus sieben unterschiedlichen maritimen Regionen, weltweit einsetzbare, sogenannte „Best Practice Tools“ zu entwickeln. Diese sollen die beteiligten Länder bei einer schnellen Implementierung rechtlicher Grundlagen und behördlicher Strukturen unterstützen. Oberste Priorität hat dabei immer die Risikominderung für mögliche neue Einschleppungen.

Doch nicht nur die IMO hat sich dem Problem der invasiven Arten angenommen. Zahlreiche nationale und sogar regionale Vorschriften zur Vermeidung von Einschleppungen, sind zu beachten. Besonders hervorzuheben sind dabei die US-Bestimmungen der Coastguard und der EPA (zukünftig auch VIDA), aber auch die strengen Regeln in Australien und Neuseeland.  Auch in der EU laufen zahlreiche Aktivitäten parallel. Hingewiesen sei auf die regionalen Übereinkommen HELCOM und OSPAR, sowie das COMPLETE-Projekt, das eine Roadmap als Grundlagen für eine harmonisierte Umsetzung der IMO Biofouling Guidelines hervorbringen soll. Auf national Ebene sind die Aktivitäten des BSH und des VDR hervorzuheben. Insbesondere der gemeinsam organisierte „Runde Tisch Biofouling“, der zum Ziel hat, das Thema aus möglichst vielen Perspektiven, aber mit Fokus auf Deutschland, zu betrachten. Im Bereich Ballastwasser ist das BSH ebenfalls sehr engagiert bei der Erprobung von „Compliance Monitoring Devices“ (CMD).

3. Schlussfolgerungen für Industrie und Verwaltung

Trotz der sehr wechselhaften rechtlichen Rahmenbedingungen haben sich weltweit frühzeitig zahlreiche Hersteller und Zulieferer im maritimen Sektor dieser komplexen Fragestellungen angenommen und haben Systeme entwickelt, die das Risiko von Einschleppungen neuer Fremdorganismen reduzieren. Dieses bezieht sich sowohl auf Ballastwasserbehandlungs­systeme als auch auf Antifouling-Systeme und Bewuchsschutz-Systeme. Die Möglichkeit einer effizienten Installation / Nachrüstung seitens der Bau- und Reparaturwerften, ist dabei eine wichtige Anforderung.

Das Gesagte verdeutlicht, wie komplex die Anforderungen an alle Beteiligten sind, wenn es um die Minderung von Einschleppungen neuer Arten durch die Schifffahrt geht. Viele der neuen Umweltauflagen greifen tief in technische Abläufe im Schiffsbetrieb ein, um ein ökologisches Ziel zu erreichen. Nun müssen sich Reeder aber auf den möglichst effizienten Einsatz ihrer Schiffe fokussieren, und eine Schiffscrew besteht nicht aus Laboranten, oder gar Biologen. Somit sind Konflikte vorprogrammiert, die nur durch ein Umdenken bei allen Beteiligten gemindert werden können.

Die größte Herausforderung an die Hersteller ist dabei, Konzepte zu entwickeln, die sowohl die biologische Wirksamkeit der angewendeten Behandlungstechnologien sichern, und gleichzeitig reibungslos in den routinemäßigen Schiffsbetrieb integriert werden können. Neben einer möglichst einfachen Bedienung ist eine geeignete Schulung der Crew ausschlaggebend. Dabei sollten nicht nur die funktionalen Abläufe der betreffenden Systems vermittelt werden, sondern auch Hintergründe zu den ökologischen Gesichtspunkten, die sich aus den neuen Regularien ergeben. Nur so ist es möglich, eine höhere Akzeptanz für die neuen Systeme zu schaffen. Dabei muss eine Mehrbelastung der Crew möglichst vermieden werden. Außerdem muss dem unterschiedlichen Bildungsniveau der Besatzungen Rechnung getragen werden.

Auf der Seite der Werften müssen Fertigungsabläufe und Projektpläne den speziellen Einbauanforderungen der neuen System Rechnung tragen. Dieses kann sich auf die Gestaltung des Ballastwassersystems ebenso beziehen, wie auf die unterschiedlichen Arbeitsschritte und Arbeitssicherheitsanforderungen beim Aufbringen des Antifouling-Systems. Speziell im Falle von Nachrüstungen können diese Fragestellungen sehr komplex seien.

Auch auf Seiten der Administrationen ist ein Neudenken erforderlich, insbesondere zu den Fragestellungen der Implementierung und praktischen Umsetzung der hafenstaatlichen Kontrollen. Für die Vorortkontrolleure ist es nicht nur entscheidend, die richtigen Analysewerkzeuge zur Verfügung zu haben, sondern auch sie müssen eine entsprechende Schulung (inkl. Hintergründen zu den ökologischen Gesichtspunkten) bekommen. Ferner ist darauf zu achten, dass die Überprüfungen nicht zu unnötigen Verzögerungen im Hafen führen.   

4. DIN NSMT-Arbeitskreis Ballastwassersysteme

Die Vielschichtigkeit der dargelegten Fragestellungen verdeutlicht, wie wichtig verlässliche Regelungen und anerkannte Definitionen für alle Beteiligten sind. Hierzu können technische Normen eine gute Hilfestellung leisten. Die DIN-Normenstelle Schiffs- und Meerestechnik (NSMT) hat sich der Thematik „Ballastwasser“ frühzeitig angenommen. Über den NA 132-02-11-04 AK „Ballastwassersysteme“ wurde die praxisorientierte DIN-Norm 86270, Ballastwasser-Management — Anforderungen und Prüfungen, entwickelt. Diese gliedert sich in

  • Teil 1: Überwachungssystem für Ballastwasser-Behandlungsanlagen
  • Teil 2: Betriebsmittel zur Überwachung, und
  • Teil 3: Effizienzkontrolle.

Erfreulicher Weise konnte dieser praktische Ansatz auch frühzeitig in die Diskussionen bei der IMO eingebracht werden. Die vom Arbeitskreis erarbeitete Zusammenstellung der Monitoring Parameter wurde bereits 2012 bei der BLG 17 Sitzung diskutiert (Dokument BLG 17/4/2, eingereicht von der Deutschen Delegation). Aktuell beteiligt sich der Arbeitskreis aktiv an der Arbeit der entsprechenden ISO Arbeitsgruppe (ISO/TC 8/WG 12 Aquatic nuisance species), die parallel diverse Normenentwürfe zu Ballastwasser-Management relevanten Themen bearbeitet.

Auch für den Themenbereich „Biofouling“ ergibt sich aus den starken Aktivitäten der regulierenden Behörden und Forschungseinrichtungen, Handlungsbedarf auf der industriellen Ebene. Dieses betrifft alle Bereiche der maritimen Wirtschaft, sowohl aus Anwendersicht (Schiffbauindustrie, See- und Binnenschifffahrt, sowie Offshore Windenergie und Häfen), als auch aus Entwickler- und Produzentensicht (Meeresforschung, Meerestechnik, maritime Zulieferbetriebe). Zahlreiche Unternehmen sind auch bereits in einzelnen (oder teilweise in mehreren) Projekten vertreten. Wünschenswert wäre in diesem Zusammenhang auch eine rechtzeitige, praxisorientierte Standardisierung der technischen Aspekte. Die DIN-NSMT wird dieses Thema weiter interessiert verfolgen.

Matthias Voigt

5. Verweise

  1. Resolution MEPC.300(72); adopted on 13 April 2018.  CODE FOR APPROVAL OF BALLAST WATER MANAGEMENT SYSTEMS (BWMS Code)
  2. Resolution MEPC.169(57); adopted on 4 April 2008. PROCEDURE FOR APPROVAL OF BALLAST WATER MANAGEMENT SYSTEMS THAT MAKE USE OF ACTIVE SUBSTANCES (G9)
  3. MEPC.1/Circ.811; 13 June 2013. GUIDANCE FOREVALUATING THE 2011 GUIDELINES FOR THE CONTROLAND MANAGEMENT OF SHIPS’BIOFOULING TO MINIMIZE THE TRANSFEROF INVASIVE AQUATIC SPECIES
  4. MEPC.1/Circ.792; 12 November 2012. GUIDANCE FOR MINIMIZING THE TRANSFER OF INVASIVE AQUATIC SPECIES ASBIOFOULING (HULL FOULING) FOR RECREATIONAL CRAFT
  5. Resolution MEPC.290(71); adopted on 7 July 2017. THE EXPERIENCE-BUILDING PHASE ASSOCIATED WITH THE BWM CONVENTION
  6. BLG 17/4/2; 30 November 2012. ADDITIONAL GUIDELINES FOR IMPLEMENTATION OF THE BWM CONVENTION Further comments and details on the monitoring and sampling of certain ballast water management systems.  Submitted by Germany.

6. Kontakt

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